Ein neues Projekt im Internet möchte ich heute mit meinen Gedanken bewerfen. Es handelt sich um kundenkennwort.at, ausgedacht und gemacht von Uschi „Einwohnerin von Geekland“ Fuchs und Iwona „Internet Ninja“ Wisniewaska. Im About der Seite kann man nachlesen, was die Motivation hinter kundenkennwort.at ist und was genau auf der Seite passieren soll:
Die Plattform kundenkennwort.at dokumentiert und veröffentlicht verschiedenste Vorkommnisse im Bereich des Kundenservices zwischen Privatkunden und Unternehmen. Wir wollen durch Transparenz einen Beitrag zur Verbesserung des Services und der Kommunikation zwischen Kunden und Unternehmen schaffen.“
Es läuft also so ab, dass ein Nutzer seinen Kundenservice(un)fall schildern kann und das dazugehörige Unternehmen kann dies dann kommentieren, wenn es mag. Wohlgemerkt werden aber alle besonderen Vorkommnisse dokumentiert, also auch positive! So fair sollte man sein. Man merkt aber erstens an der Verteilung und wohl auch an der Motivation hinter dieser Seite, was eigentlich im Vordergrund steht. Wozu sollte man sonst „eine Lösung suchen“ wollen, wenn der Kundenservice super war? Der Augenmerk wird natürlicherweise auf den Beschwerdefällen liegen, und zwar aus dem Grund, dass man guten Kundenservice auch gar nicht bemerken sollte. Wenn alles glatt läuft, ist es normal. So soll es sein. Tritt ein Problem auf und wird nicht professionell, rasch und gratis gelöst, ist das Unternehmen schuld. Und was passiert, wenn das Unternehmen schuld ist? Kunde wird wütend und muss sich in seinem Zorn und seiner Enttäuschung ausdrücken. Sei es nun bei seinen Freunden, der Hotline oder jetzt ganz neu – auf kundenkennwort.at. Das beste Mittel gegen Kummer ist nämlich immer noch, Zustimmung von anderen Betroffenen zu bekommen und sich gemeinsam aufzuregen.
Ein Beispiel möchte ich euch nicht schuldig bleiben. Es geht um das Kündigen bei T-Mobile:
Ich versuche jetzt schon seit einer Woche meinen Vertrag bei T-Mobile Austria zu kündigen. Zuerst war ich persönlich im Store in Wels (weil mir das eigentlich am einfachsten vorgekommen ist). Dort wurde erklärt, dass ich nur schriftlich oder über die Hotline kündigen kann.“ etc pp
An dieser Stelle muss ich aus Transparenzgründen sagen, dass ich selbst in einem Callcenter für ein Kommunikationsunternehmen gearbeitet habe. Am Telefon bekommt man sehr viel Anfragen in dieser Art, die ich zwar vom Prinzip her verstehen kann, die Reaktionen darauf aber eher nicht. Es ist nämlich so: Verträge haben AGBs, und man unterschreibt diese. Es ist kein Fall von Kundenservice, wenn man sich eine andere Methode zur z. B. Kündigung des Vertrages wünscht. Diese Anfragen haben ein Protokoll, ohne das die Sachen nicht bearbeitet werden können. Im Speziellen werden die Menschen, die für so große Unternehmen wie T-Mobile arbeiten, nur unzureichend ausgebildet und halten sich deswegen so genau an diese Protokolle. Es nützt gar nichts, einen Menschen am Telefon oder im Shop über die Rechtslage aufzuklären. Im Unternehmen wird sich nämlich nicht unbedingt daran gehalten. Siehe die ständigen Prozesse gegen diverse AGBs. Als Mitarbeiter hat man sich aber nicht an das Recht zu halten, sondern an die geltenden AGBs. Und man kann als Kunde gerne rechtliche Schritte einleiten und den Verbraucherschutz anrufen, aber das passiert nur allzu selten. Vielmehr wird geschimpft und gewettert und die Mindestlohnverdiener bekommen es tagtäglich ab. Am besten ist der Spruch nach einer solchen Schimpferei: „Aber ich weiß, sie können ja nichts dafür.“ Nein, noch schlimmer. Nicht nur können diejenigen nichts dafür, die leiden nochmal extra unter diesen Unternehmen, da sie als Arbeiter genauso beschissen werden wie die Kunden. Und zum Glück tragen Kunden und Mitarbeiter diese Kämpfe unter sich aus und niemand bekommt es mit. Beschwerdeabteilung? Fehlanzeige.
Ein anderes Beispiel zeigt, wie ein einzelner Mitarbeiter für ein Unternehmen herhalten muss: ein Spediteur ist faul, macht sein Handy einfach so aus und verzögert die Lieferung. Die Verteilung von Individuum und Unternehmen sind also in beide Seiten gestört. Ich nenne das der Einfachheit halber Entfremdung. Das Denken über Firmen, Unternehmen, Arbeitern und Geld führt zu seltsamen Annahmen, wer im Recht ist und wer nicht. Das Sprichwort „Der Kunde ist König“ stammt aus einer Zeit, als es noch keine Arbeitsbienchen gab, die dafür genutzt wurden, um der Firmenpolitik ein nettes Gesicht zu geben.
Was mich bei kundenkennwort.at allerdings auch noch nachdenklich stimmt: diese Seite ist eine non-profit-individual-idea Sache. Dahinter steckt also kein großer Plan, damit reich zu werden oder berühmt. Iwona und Uschi verdienen daran nichts, sie sind halt gern im Internet und machen social media. Und wollten vermutlich einfach mal wieder was gemeinsam machen. Und dann denken sie sich eine Plattform für unzufriedene Kunden aus? Keine Tierbilder, keine youtube-Videos, keine Filmrezensionen oder sonstwas, sondern kundenkennwort.at? Sich mit Problemen von nervigen Kunden beschäftigen? In der Freizeit? Unternehmen zu Kommentaren auffordern? Ohne Bezahlung? Zum… Spaß? Ok… ein bisschen entrinnt mir der Sinn dahinter. Aber ich muss zugeben: ich bin für diesen Arbeitsmarkt eben nicht geschaffen, und vielleicht ist das auch gut so. Hab euch lieb, eure Katja.